Sprichst du Coronisch?

Die englischen
Von Anglizismen haben sich die Deutschen schon vor Jahrhunderten infizieren lassen und die aktuelle Situation würden wir ohne E-Mails, Streaming-Dienste, Jogging oder ein leckeres Steak wohl kaum aushalten. Für stetigen Nachschub sorgen zurzeit die Corona Live Ticker und Corona-Updates, für deren Übersetzung man sich das Oxford Dictionary griffbereit neben das Smartphone legen sollte: Wo befinden sich die virulentesten Hot Spots ? Wie sieht die Exit-Strategie für den Shutdown (Herunterfahren, Schließung) oder Lockdown (Abriegelung, Ausgangssperre) aus? Wo kriege ich eine Community-Maske her? Wann kommt die Contact Tracing-App ? Wieviel Social Distancing braucht es für #flattenthecurve ? Oder ist nicht eigentlich Physical Distancing gemeint? Warum sind Superspreader überhaupt nicht super? Warum trinken Corona Bonds keinen Martini? Wie weit ist das Screening der Bevölkerung? Warum gibt es dafür nicht genügend Test Kits - und wäre Prüfkoffer nicht das viel interessantere Wort? Wie kriege ich Home Schooling und Home Office unter einen Hut - und warum benutzt kein Brite diesen Begriff (die arbeiten nämlich einfach „from home“ oder „remote“)? Ach, ich #stayathome und guck dazu einfach mal ein Webinar !
Die schlauen
In der Corona-Krise sind viele Wörter systemrelevant geworden, die nicht unbedingt zur kritischen Infrastruktur unseres alltäglichen Wortschatzes gehören. Vor allem in den Medien vermehren sie sich nahezu exponentiell ! Wer Begriffe wie Herdenimmunität, Letalität (nicht zu verwechseln mit Morbidität !), FFP2, FFP3, Reproduktionszahl und Aerosol am schnellsten in einem einzigen Satz erklären kann, gewinnt eine Woche Quarantäne !
Die gruseligen
Es sind nicht nur die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen, die das Corona-Virus so bedrohlich machen. Als Kollateralschaden verursacht es eine sprachliche Pandemie unheimlicher Begriffe: Viruslast, Durchseuchung, Kontaktverbot, Ausgangssperre oder Triage (das sich übrigens vom französichen „trier“ für „sortieren“ ableitet) lehren sogar tiefenentspannte Optimisten das Fürchten. Ein echtes Geisterspiel !
Die lustigen
Zum Glück hat das Coronisch-Wörterbuch auch viele heitere Seiten! In der Corona-Krise kommen vor allem Sprachspiel-Verliebte auf ihre Kosten: Berühmt wurden zum Beispiel die Infodemie und die Spuckschutzscheibe, erfunden wurden das Coronieren („sich mit Corona anstecken“ oder „wegen Corona absagen“ oder „über Corona plaudern“) und der Covidiot (wahlweise ein ignoranter Egoist oder egoistischer Ignorant). Auch niedliche alte Bekannte wie das Hamstern kamen zu neuen Ehren. In den Niederlanden wurde online sogar ein eigenes Corona-Wörterbuch veröffentlicht, das uns mit Begriffen wie Snotterschaamte (Schniefscham) aufmuntert. Nicht zu vergessen die unzähligen Corona-Combis, äh, Kombis. Zu unseren Favoriten gehören der Corona-Koller und die Corona-Babys. Nach ihrer Geburt im Januar 2021 werden sie die neue Sprache „Coronisch“ sicherlich mit der Muttermilch aufsaugen - oder es herrscht dann endlich wieder eine neue Normalität ...